Es wird ein neuer Bundestag am 24. September gewählt. Im großen Politiker-Check von kukksi befragen wir die Spitzenpolitiker der Parteien und wollen wissen, wie sie Politik für junge Menschen wieder interessant machen wollen und was sich in der Bildungspolitik verbessern soll. Und: Wie sieht es eigentlich mit einem Wahlrecht ab 16 Jahren aus?
Christian Lindner ist DER Star im Wahlkampf. Ihm wird es mit großer Wahrscheinlichkeit gelingen, die FDP wieder in den Bundestag zu bringen. Seine Partei fordert eine Modernisierung des Bildungssystems. Im exklusiven kukksi-Interview verrät Christian Lindner auch, warum er gegen ein Wahlrecht ab 16 Jahre ist und wie er mit Kritik im Internet umgeht.
Was willst du generell für junge Menschen besser machen?
Wir wollen ein Deutschland-Update, damit unser Land stark und weltoffen bleibt. Wir sprechen am liebsten über die Zukunft statt und über die Gegenwart. Nehmen wir beispielsweise das Internet, das in machen Gegenden so langsam ist, dass man noch nicht einmal online einen Film gucken kann. Da wollen wir in den Breitbandausbau investieren. Und weil die Zukunft nicht nur im Internet stattfindet, sondern allgemein in einer globaleren, vernetzen Welt, setzen wir uns für den Ausbau europäischer Austauschprogramme wie ERASMUS+ und die Ausweitung dieser Programme auf Auszubildende ein. Übrigens: Wir wollen nicht nur etwas für junge Menschen besser machen, sondern wir wollen sie auch selbst machen lassen – Das Durchschnittsalter unserer Bundestagskandidaten ist niedriger als bei allen anderen Parteien in Deutschland.
Bildung ist zwar Ländersache. Viele Schüler fordern, dass es einheitliche Standards im Bildungssystem gibt. Was sagst du dazu, dass sich die junge Generation im Stich gelassen fühlt?
Wir würden sogar noch einen Schritt weiter gehen: Unsere Schulen und Hochschulen müssen von der wortwörtlichen Kreidezeit ins 21. Jahrhundert katapultiert werden, es gibt also viel zu tun! Eine so umfassende Modernisierung des Bildungssystems, wie wir sie anstreben, würde Länder und Kommunen überfordern. Deshalb muss die Finanzierung dringend gesamtgesellschaftliche Aufgabe werden.
Auch das ideologische Gezänk und die bürokratischen Reibungsverluste zwischen den einzelnen Bundesländern passen nicht mehr in eine Zeit, in der nicht mehr Bremen mit Bayern im Wettbewerb steht, sondern Deutschland als Ganzes mit Nordamerika und China. Deshalb wollen wir nicht nur die Finanzierung der Schulen verbessern und in die Modernisierung investieren, sondern auch einheitliche Bildungsstandards in Deutschland.
Willst du die Studiengebühren wieder einführen?
Wir wollen die Studienbedingungen in Deutschland verbessern. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise, wo ich Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion bin, hat sich das Betreuungsverhältnis zwischen den Professoren und ihren Studenten in den letzten Jahren stark verschlechtert. Ein Professor muss sich um immer mehr Studenten kümmern und hat so weniger Zeit für den Einzelnen, für eine ausführliche Sprechstunde, für individuelle Betreuung. Auch in anderen Bereich hinken die deutschen Unis im internationalen Vergleich leider oft hinterher. Und wenn dann noch nicht mal die Gebäude intakt sind – kürzlich schrieb mir jemand von der Universität Erlangen, da ist die Decke nachts eingestürzt – dann ist doch klar: Da muss sich dringend etwas ändern.
Wir fordern deshalb nachgelagerte Studiengebühren. Das bedeutet, dass die Studenten während ihres Studiums nichts bezahlen müssen, aber wenn sie später arbeiten und gut verdienen, dann sollen sie einen kleinen Anteil zurückzahlen. Wir reden hier von höchstens 500 Euro pro Semester. Dieses Geld soll dann auch nicht der Politik zur Verfügung stehen, sondern soll direkt wieder in den Universitäten investiert werden – und zwar nur in Maßnahmen, von denen die Studenten sofort etwas haben, zusätzliche Tutorien zum Beispiel. Die Frage ist also: Eine gute Ausbildung gegen eine mäßige Gebühr oder umsonst ein Studium mit überschaubarer Qualität und viel Stress.
Sollten deiner Meinung nach auch junge Menschen ab 16 Jahren wählen dürfen?
Ich bin da skeptisch, was eine Veränderung des Wahlrechts angeht. Die Erfahrungen in den Ländern mit Wahlrecht ab 16 Jahren zeigen, dass davon leider nicht so stark Gebrauch gemacht wird. Und laut Umfragen sind auch viele Jugendliche selbst gegen diese Änderung. Außerdem finde ich, dass das Wahlrecht bei staatlichen Wahlen und die Volljährigkeit nicht voneinander getrennt werden sollen. Rechte und Pflichten gehören zusammen.
Junge Leute finden Politik eher öde. Wie willst du die Menschen mehr für Politik begeistern?
Erstens, indem wir neu denken. Warum sehen die Wahlplakate beispielsweise alle immer gleich aus? Wir sind dieses Mal einen neuen Weg gegangen und präsentieren auf unseren Großflächenplakate mehr Text als alle anderen Parteien. Viele Journalisten haben uns im Vorfeld gesagt „Das liest doch eh keiner, die Mühe macht sich kein Mensch“, aber wir glauben eben daran, dass Menschen sich für Politik begeistern können, wenn man sich traut, ihnen genau zu sagen, wofür man steht. Wenn man nicht nur Sprüche plakatiert, denen sowieso niemand widersprechen würde, sondern ihnen Inhalte bietet, die sie zum Grübeln und zum Diskutieren bringt.
Als Politiker stößt man auch manchmal auf sehr viel Abneigung. Wie gehst du damit um?
Das gehört zum Leben eines Politikers leider irgendwie dazu, das raubt mir nicht den Schlaf. Wenn man für etwas eintritt, was einem wichtig ist, dann hält man Gegenwind aus. Allerdings bekomme ich manchmal auch E-Mails, die gehen wirklich gar nicht. Da schreibe ich dann manchmal auch etwas Entsprechendes zurück, einfach um zu zeigen: Auf der anderen Seite sitzt ein Mensch, so eine Sprache gehört sich nicht.
Wie wichtig sind dir soziale Netzwerke?
Sehr wichtig! Ich nutze Facebook, Twitter, Instagram und Whatsapp, um so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Ganz egal ob es ein Interview ist, dass ich gegeben habe, ein Einblick in meinen Wahlkampf oder ein Foto aus meinem Urlaub. Inzwischen kann ich mir meinen Alltag ohne die sozialen Netzwerke gar nicht mehr vorstellen. Gleichzeitig probiere ich auch immer gerne neue Dinge aus, vor ein paar Tagen habe ich zum Beispiel ein „Ask my anything“ auf Jodel gemacht. Das hat Spaß gemacht!
Über Christian Lindner
Christian Lindner wurde am 7. Januar 1979 in Wuppertal geboren. Aufgewachsen ist er aber in Wermelskirchen. Schon als Schüler hat sich Christian Lindner sehr für Politik interessiert. Später hat er eine Werbeagentur gegründet. Nachdem er mehrere Parteiprogramme durchgelesen hat, hat ihn die FDP am meisten überzeugt und wurde Mitglied. Er hat anschließend die Jungen Liberalen in Wermelskirchen gegründet und hat dann für den Landesvorstand kandidiert.
Im Jahr 2000 wurde Christian Lindner in den Landtag von Nordrhein-Westfalen gewählt. Danach wurde er Generalsekretär der FDP und später auch von Guido Westerwelle, im Jahr 2009 zog er außerdem in den Bundestag ein. Nachdem die FDP im Jahr 2013 aus dem Bundestag flog, feiert sie am 24. September 2017 offenbar wieder ihren Einzug. Neben seiner politischen Karriere hat er Politikwissenschaft, Staatsrecht und Philosophie studiert und begann sein Engagement als Botschafter für das Kinderhospiz Regenbogenland in Düsseldorf.