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Leonie-Rachel über Borderline

KUKKSI exklusiv

Leonie-Rachel Soyel: Mein Leben mit Borderline

@tessaviktoriakutsam

TRIGGER-WARNUNG | In diesem Artikel wird selbstverletzendes Verhalten thematisiert. Das kann für einige User*innen – insbesondere für Menschen mit Borderline – erschreckend sein. Leonie spricht explizit über ihre psychische Erkrankung. Wenn du selbst an der Persönlichkeitsstörung leidest, kann dich dieser Artikel möglicherweise triggern.

Seit mehr als 15 Jahren leidet Leonie-Rachel Soyel unter dem Borderline-Syndrom. Über die Krankheit will die Bloggerin im Netz aufklären. Doch was ist eigentlich Borderline? Und wie gestaltet sich der Alltag? KUKKSI konnte mit ihr darüber sprechen.

Bei Borderline, auch BPS genannt, handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung. Verlustängste, ein Gefühl der Leere, selbstverletzendes Verhalten oder auch Stimmungsschwankungen sind einige Anzeichen dafür. Patienten fühlen sich innerlich zerrissen oder haben auch ein anderes Weltbild. Aber: Bei jedem Betroffenen wirkt sich Borderline anders aus – deshalb kann man das nicht verallgemeinern. Oft sind mehr Mädchen oder Frauen als Jungs von der psychischen Krankheit betroffen.

Nach dem Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (WHO), gilt die Borderline-Persönlichkeitsstörung heute als eine Unterform der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung. In den vergangenen Jahren hat man mehr über Borderline herausgefunden – auch, was die Auslöser für die Krankheit sind. Das können zum einen genetische Faktoren sein, aber in vielen Fällen ist das auf frühe traumatische Erfahrungen zurückzuführen – dazu zählen unter anderem Missbrauch oder auch Vernachlässigung. Rund drei Prozent der Bevölkerung leiden an Borderline – die ersten Anzeichen treten meist im Teeniealter auf. Leonie-Rachel Soyel spricht bei KUKKSI über ihre Borderline-Erkrankung, wie sich diese im Alltag auswirkt und was sie anderen Betroffen rät.

Leonie-Rachel

@tessaviktoriakutsam

KUKKSI-Interview mit Leonie-Rachel Soyel

Viele Menschen kennen den Begriff Borderline, aber wissen nicht ganz, was das für Betroffene bedeutet. Wie fühlt sich das an?

Vorab, es fühlt sich für jeden Betroffenen unterschiedlich an, denn trotz gemeinsamer Merkmale leidet, jede*r Betroffene anders. Das Wechseln zwischen den Extremen ist oft sehr ermüdend, vor allem weil die einzelnen Gefühle so intensiv sind. Es ist schwer zu beschreiben, denn man fühlt sich unter Spannung und gleichzeitig oft innerlich leer.

Wie äußert sich die Borderline-Persönlichkeitsstörung bei dir?

Ich habe mit vielen der klassischen Symptome zu kämpfen: Impulsivität, Unsicherheit, Wechsel der Gefühle, Selbstverletzung, Suizidgedanken, Schwarz-Weiß denken, Auto-Aggression, Wut, Angst vor Nähe, gleichzeitig ständige Angst verlassen zu werden, Schwierigkeiten eine Partnerschaft langfristig aufrechtzuerhalten, die Leere und auch dissoziative Symptome. Ich hab durch Therapie und auch Yoga gelernt mit meinen Symptomen umzugehen.

Gab es bei dir einen Auslöser für die Krankheit?

Ja, es gab mehrere Faktoren, die dazu geführt haben. Aber ich beantworte diese Frage ungern mit Details, weil ich oft das Gefühl habe, sie wird gestellt, um eine ‚arge traumatische Geschichte‘ zu hören und eine gewisse Sensationsgier zu befriedigen und wenn dann andere Betroffene nicht ebenso einen dramatischen Auslöser haben, diese nicht ernst genommen werden. Man weiß bis heute nicht, welche Faktoren dazu führen, dass sich eine Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickelt.

Was hat sich für deine Familie und Freunde verändert, beziehungsweise hast du seitdem ein anderes Verhältnis zu deinen Mitmenschen?

Ich kenne mein Leben nicht „vor“ Borderline. Es war immer Teil meines Lebens. Ich kenne aber mein Leben nach Therapie. Seit ich regelmäßig in Therapie gehe, habe ich gelernt, meine Grenzen zu erkennen, zu benennen und besonnener zu agieren. Meine Impulskontrolle hat sich verbessert und dadurch haben sich auch meine Beziehungen verändert. Einige Freundschaften habe ich beendet, weil ich gemerkt habe, dass sie das Schlechteste in mir gefördert haben. Andere Beziehungen hingegen sind stärker und stabiler geworden. Mein Umfeld und ich reden viel offener über alles und es hilft mir z.B.: Situationen gemeinsam zu reflektieren.

Hast du auch zu selbstverletzendem Verhalten geneigt?

Ja, habe ich.

Du machst in den sozialen Netzwerken kein Geheimnis um die Krankheit. Warum ist es wichtig, damit offen umzugehen?

Zum einen möchte ich Betroffenen zeigen, dass eine psychische Erkrankung zwar ein Teil von einem sein kann, aber einem nicht hindern soll, seine Träume zu erreichen. Zum anderen möchte ich generell mit dem Stigma brechen, sich Hilfe zu suchen. Egal, ob eine schwerwiegende Krankheit dahinter liegt oder nicht. Wenn man einen Leidenspunkt hat, sollte man nicht zögern in Therapie zu gehen.

Wie lebst du heute mit Borderline?

Mal besser, mal schlechter. Als mich mein Ex-Partner letztes Jahr verlassen hat, habe ich wieder sehr stark mit meinen Symptomen zu kämpfen gehabt. Der Vertrauensbruch, der da stattgefunden hat, hat mich zutiefst erschüttert, da ich das erste Mal für mich eine Beziehung erlebt habe, wo ich mich sicher gefühlt habe. Das zu verarbeiten, hat sehr lange gedauert. Aber mein Motto ist: Das Leben ist zum Leben da. Jede Erfahrung macht uns reicher und an den schmerzhaftesten wachsen wir am meisten. Mein Leben ist schön und aufregend. Ich genieße meine intensiven Gefühle, egal ob positive oder negative. Denn im tiefsten Schmerz bin ich oftmals am kreativsten. Ich habe gelernt, all dem für mich einen Sinn zu geben. Das hatte etwas Befreiendes.

Was wünschst du dir von anderen Menschen im Umgang mit der Borderline-Störung?

Wir haben oft ein falsches Bild, wie psychische Erkrankte auszusehen haben. Nur, weil man zum Beispiel lächelt, heißt es nicht, dass man nicht mit Depression zu kämpfen hat. Daher weniger annehmen, eher nachfragen, ehrlich und aufrichtiges Interesse zeigen und gleichzeitig die Probleme ernst nehmen. Nichts ist schlimmer (egal, mit oder ohne Borderline), wenn man nicht gesehen und gehört wird, wenn es einem schlecht geht.

Was würdest du anderen Betroffenen und ihrem Umfeld mit auf den Weg geben?

Viel Kraft & nicht vergessen: es schlummert eine Fülle von Stärken in dir – auch in den schwersten Krankheitsphasen und Krisen!

Wir bedanken uns bei Leonie-Rachel für das Interview. Ihren Instagram-Account findest du HIER.

HINWEIS DER REDAKTION | Der Artikel ersetzt keinesfalls eine ärztliche Beratung! Der Inhalt von KUKKSI darf nicht dafür verwendet werden, eigenständig Diagnosen zu stellen – das kann nur ein ausgebildeter Arzt.

HINWEIS DER REDAKTION | Du leidest selber an Depressionen oder hast Selbstmord-Gedanken? Dann kontaktiere bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhältst du anonym und rund um die Uhr Hilfe von Beratern.

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